Im Jahr 2012 wertete das Parlament die Neue Mittelschule (NMS) in Österreich vom Schulversuch zur Regelschulform auf. Für die Lehrpläne bedeutete das ab dem Herbst 2012 viele Neuigkeiten. Eine davon: die Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler ab der 3. Klasse.
Heinz Herczeg merkte, mit den theoretischen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen der Lebensschule in Neusiedl/See im Gepäck, dass er ein maßgeschneidertes Konzept für die NMS parat hatte: das Lebens- und Berufsorientierungsmodell „Life Champion“.
„Die Schulen wussten nicht so recht, wie sie mit der neuen Aufgabe der Berufsorientierung umgehen sollten“, erinnert sich Herczeg. Hans-Peter Wolf, damals Lehrer an der MMS (Musik-Mittelschule) Großpetersdorf und heute Direktor der EMS Oberwart, sagt sogar: „Es war an den Schulen damals kein Verständnis für Berufsorientierung da.“
Ich hatte Tränen in den Augen, als ich gesehen habe, wie die größten ‚Strizzis‘ für ein fiktives Bewerbungsgespräch mit Sakko, Hemd, Krawatte und frisch vom Friseur in die Schule kamen. Den Kindern war das absolut wichtig, und sie sind freudestrahlend aus diesem Gespräch rausgegangen.
Hans-Peter Wolf, Direktor EMS Oberwart
Wie konnte Life Champion da helfen? In Projekten und mit Schulbesuchen von Leuten aus regionalen Unternehmen konnten die Schülerinnen und Schüler lernen, welche ihre Lebens- und Berufsträume sind, wo ihre Stärken liegen und was ihnen Spaß macht. Life Champion macht das Berufsleben und die Wirtschaft konkret erfahrbar. Das Konzept begleitet die Jugendlichen über mehrere Semester.
Schuldirektor Wolf erinnert sich zum Beispiel an den Besuch der Personalchefin eines Autozulieferers und an Trainings-Bewerbungsgespräche, die Führungskräfte mit 12- und 13-Jährigen auf Augenhöhe führten. In der MMS Großpetersdorf stand am Ende des dreijährigen Prozesses auch eine große Schlussveranstaltung mit Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern. Die Industriellenvereinigung Burgenland zeichnete die MMS Großpetersdorf 2016 und 2017 mit dem BO-Award für die beste Berufsorientierungsmaßnahme aus.
Der Wirtschaftstrainer Günter Schmatzberger erinnert sich auch noch aneinen dreiwöchigen „Life-Champion“-Probelauf an der NMS Markt Allhau. Damals konnten die Jugendlichen durch den konkreten Betrieb eines Apfelsaftstandes erspüren, wo ihre Stärken liegen. Der Apfelsaftstand zeigte die große Wirtschaft im Kleinen: Man brauchte Produzent:innen, Verkäufer:innen, eine Buchhaltung und so weiter.
„Ob es einen jungen Menschen in eine kaufmännische, in eine kreative oder in eine handwerkliche Richtung zieht, solche Dinge muss man einfach ausprobieren und sich selbst in einer Tätigkeit erleben“, sagt Schmatzberger. Seine Erfahrung mit Life Champion ist äußerst positiv, er habe gelernt: „Es ist keine Altersfrage, einen selbstwirksamen Zugang zum Leben zu haben.“